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Niacin (Vitamin B3)

Niacin (Vitamin B3) ist ein wasserlösliches (hydrophiles) Vitamin und gehört zu der Gruppe der B-Vitamine.

Verbindungen von Niacin

Niacin ist ein Sammelbegriff, wozu Nicotinsäure, Nicotinamid und die biologisch aktiven Coenzyme Nicotinamid-adenin-dinukleotid (NAD) und Nicotinamid-adenin-dinukleotid-phosphat (NADP) gehören.

Nicotinsäure und Nicotinamid sind im intermediären Stoffwechsel ineinander überführbar und in Form von NAD beziehungsweise NADP coenzymatisch wirksam [1, 3, 7, 11, 13].

Vorkommen der Niacin-Verbindungen

Nicotinamid ist bevorzugt im tierischen Organismus in Form der Coenzyme NAD und NADP zu finden.

Nicotinsäure kommt hingegen vorrangig in pflanzlichen Geweben wie Getreide und Kaffeebohnen vor, allerdings in geringeren Mengen. Niacytin ist eine für den menschlichen Organismus nicht verwertbare Form [2, 3, 11, 13].

Synthese von Niacin

Der menschliche Organismus kann NAD auf drei verschiedenen Wegen herstellen. Zum einen ist das Ausgangsprodukt für die NAD-Synthese die lebensnotwendige (essentielle) Aminosäure Tryptophan, zum anderen geht NAD aus Nicotinsäure und aus Nicotinamid hervor [2, 7, 11, 13].

Die NAD-Synthese aus L-Tryptophan spielt nur in Leber und Niere eine Rolle. Daher wird der Bedarf in Niacinäquivalenten (NÄ) angegeben, wobei 1 NÄ der Menge von 1 Milligramm Niacin und 60 Milligramm L-Tryptophan entspricht.

Bedeutung von Tryptophan für die Niacin-Synthese

Das Verhältnis vom Niacinäquivalenten (1 NÄ = 1 Milligramm Niacin = 60 Milligramm L-Tryptophan) gilt nicht bei Tryptophan-armer Ernährung. Bei niedriger Tryptophan-Zufuhr wird die essentielle Aminosäure so lange ausschließlich für die Proteinsynthese verwendet, bis ein Überschuss die NAD-Synthese ermöglicht [1-3, 7, 8, 11, 13].

Demnach ist für eine ausreichende NAD-Bildung auf eine entsprechende Tryptophan-Zufuhr zu achten. Gute Tryptophan-Lieferanten sind vor allem Fleisch, Fisch, Käse und Eier sowie Nüsse und Hülsenfrüchte [11].

Zudem ist eine ausreichende Versorgung mit Folat, Riboflavin und Pyridoxin von Bedeutung, da diese Vitamine im Tryptophan-Stoffwechsel beteiligt sind [3, 7, 11]. Die körpereigene (endogene) Synthese von Niacin aus L-Tryptophan schwankt in Abhängigkeit von der Qualität der Nahrung.

Trotz durchschnittlicher Umsetzung von 60 Milligramm Tryptophan zu 1 Milligramm NÄ, liegt die Schwankungsbreite zwischen 34 und 86 Milligramm Tryptophan [14]. Demnach sind über die Eigenproduktion von Niacin aus Tryptophan keine genauen Angaben möglich [1, 11].

Aufnahme von Niacin

Nicotinamid wird nach Aufspaltung der Coenzyme Nicotinamid-adenin-dinukleotid (NAD) und Nicotinamid-adenin-dinukleotid-phosphat (NADP) bereits im Magen, zum größten Teil jedoch im oberen Dünndarm als freie Nicotinsäure rasch und fast vollständig aufgenommen (absorbiert).

Die NAD(P)-Aufnahme über den Darm in die Schleimhautzellen (Mukosazellen) folgt einem dosisabhängigen Transportmechanismus [1, 2, 4, 5, 7, 11, 13].  Niedrige Niacindosen werden in Abhängigkeit eines Natrium-Gradienten aktiv mittels eines Carriers nach einer Sättigungskinetik, hohe Niacindosen (3-4 g) zusätzlich durch passive Diffusion resorbiert (aufgenommen) [1, 2, 4, 5, 7, 11, 13].

Die Aufnahme von freier Nicotinsäure erfolgt ebenfalls im oberen Dünndarm rasch und nahezu vollständig nach dem gleichen Mechanismus [2, 7, 11, 13].

Einflussfaktoren einer erhöhten Niacin-Aufnahme

Die Absorptionsrate von Niacin wird im Wesentlichen von der  Beschaffenheit der Lebensmittel (Lebensmittelmatrix) beeinflusst. So findet sich bei tierischen Lebensmitteln eine Aufnahme von nahezu 100 %, während bei Getreideprodukten und anderen Nahrungsmitteln pflanzlicher Herkunft nur mit etwa 30 % zu rechnen ist. Der Grund hierfür liegt in der Bindung von Nicotinsäure an Makromoleküle und dem dadurch entstehenden Niacytin [2, 3, 10, 12, 13].

Durch bestimmte Maßnahmen, wie der Behandlung mit Natrium, Kalium und Calcium (Alkalibehandlung) oder Rösten der entsprechenden Lebensmittel, kann der Anteil an freier Nicotinsäure erhöht werden. Daraus ergibt sich eine deutlich gesteigerte biologische Verwertbarkeit der Nicotinsäure.

In Ländern wie Mexiko, in denen Mais der wesentliche Niacin-Lieferant ist, steht durch Vorbehandlung des Getreides mit einer sogenannten Calciumhydroxidlösung ein Grundnahrungsmittel zur Verfügung, das wesentlich zur Deckung des Niacinbedarfs beiträgt [2, 3, 11, 13].

Durch das Rösten von Kaffee wird eine in den grünen Kaffeebohnen enthaltene und für den Menschen nicht verwertbare Niacin-Verbindung (Methylnicotinsäure) so umgewandelt, dass der Gehalt an freier Nicotinsäure von zuvor 2 Milligramm pro 100 Gramm grünen Kaffeebohnen auf etwa 40 Milligramm pro 100 Gramm Röstkaffee ansteigt [2, 3, 11, 13].

Die gleichzeitige Zufuhr von Nahrung hat keinen Einfluss auf die Aufnahem von Nicotinsäure und Nicotinamid [11].

Transport und Verteilung von Niacin im Körper

Aufgenommenes Niacin, hauptsächlich als Nicotinsäure, gelangt über das Blut in die Leber, wo es zur Umwandlung in die Coenzyme Nicotinamid-adenin-dinukleotid (NAD) und Nicotinamid-adenin-dinukleotid-phosphat (NADP) kommt [2-4, 7, 11].

Die Leber reguliert den NAD-Gehalt in den Geweben in Abhängigkeit von der Nicotinamid-Konzentration, die außerhalb der Zelle vorliegt. Bei Bedarf spaltet sie NAD zu Nicotinamid auf, das auf dem Blutweg zur Versorgung der anderen Gewebe dient [2, 3, 11, 13].

Nicotinsäure kann im Gegensatz zu Nicotinamid die physiologische Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Zentralnervensystem (Blut-Hirn-Schranke) nicht passieren und muss dazu erst über NAD in Nicotinamid umgewandelt werden [11].

Speicherung von Niacin

Neben der Leber sind auch die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und andere Gewebe an der Speicherung von Niacin in Form von NAD(P) beteiligt [4, 11]. Die Reservekapazität an Niacin ist jedoch begrenzt und beträgt bei Erwachsenen etwa 2-6 Wochen [11, 13].

Ausscheidung von Niacin

Niacin wird in Form von Abbauprodukten (Metaboliten) hauptsächlich über die Niere ausgeschieden [11]. Unter normalen Bedingungen scheidet der Mensch etwa 3 Milligramm Abbauprodukte täglich über die Niere aus [3, 13].

Nach höheren Dosen von 3 Gramm pro Tag ändert sich jedoch das Ausscheidungsmuster, so dass auch unverändertes Nicotinamid im Urin erscheint [11].

Die Eliminations- beziehungsweise Plasmahalbwertszeit ist vom Niacinstatus und der zugeführten Dosis abhängig. Sie beträgt im Mittel etwa 1 Stunde [11].

Risiko eines Niacin-Mangels

Ein chronische Dialysebehandlung bei Patienten mit chronischem Nierenversagen kann zu nennenswerten Niacin-Verlusten und somit zu erniedrigten Nicotinamid-Serumspiegel führen [2, 11].

Literatur

  1. Bässler K.-H., Grühn E., Loew D., Pietrzik K. (2002) Vitamin-Lexikon für Ärzte, Apotheker und Ernährungswissenschaftler. 3. Auflage. Urban & Fischer, München
  2. Biesalski H. K., Köhrle J., Schümann K. (2002) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Prävention und Therapie mit Mikronährstoffen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart
  3. Biesalski H. K., Fürst P., Kasper H. et al. (2004) Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 3. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart
  4. Bundesinstitut für Risikobewertung: Domke A., Großklaus R., Niemann B. et al (Hrsg.) (2004) Verwendung von Vitaminen in Lebensmitteln - Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte Teil 1. BfR-Hausdruckerei Dahlem
  5. D-A-CH (2000) Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung (SGE), Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Auflage, Umschau/Braus Verlag, Frankfurt am Main
  6. Gaßmann B. (1997) Niacin - Definition, Ernährungsphysiologie, Stoffwechsel, Empfehlungen, Versorgung und Versorgungszustand in der Bundesrepublik Deutschland. Ernährungs-Umschau; 44: 10
  7. Hahn A., Ströhle A., Wolters M. (2006) Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart
  8. Kasper H. (2004) Ernährungsmedizin und Diätetik. 10. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München
  9. Knip M., Douek I.F., Moore P.T. et al (2000) Safety of high dose nicotinamide: a review. Diabetologia; 43: 1337-1345
  10. Mensink G., Burger M., Beitz R. et al (2002) Was essen wir heute? Ernährungsverhalten in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Robert Koch-Institut, Berlin
  11. Pietrzik K., Golly I., Loew D. (2008) Handbuch Vitamine. Für Prophylaxe, Beratung und Therapie. Urban & Fischer Verlag, München
  12. Roth-Maier D.A., Wauer A., Stangl G., Kirchgessner M. (2000) Preceaecal digestibility of niacin and pantothenic acid from different foods. Int J Vitamin and Nutr Res; 70: 8-13
  13. Schmidt E. und Schmidt N. (2004) Leitfaden Mikronährstoffe. Orthomolekulare Prävention und Therapie. 1. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München
  14. Souci S.W., Fachman W., Kraut H. (2000) Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwert-Tabellen 1986/87. Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart
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