Gamma-Linolensäure (GLA) ist eine langkettige (≥ 12 Kohlenstoff (C)-Atome), mehrfach ungesättigte (> 1 Doppelbindung) Fettsäure (engl.: PUFAs, Polyunsaturated fatty acids), die neben der Linolsäure, Dihomo-Gamma-Linolensäure und Arachidonsäure zur Gruppe der Omega-6-Fettsäuren gehört – C18:3; n-6 [2, 14-16, 24, 29, 42, 44].
GLA kann sowohl über die Nahrung, vor allem durch pflanzliche Öle, wie Borretschsamenöl (circa 20 %), schwarzes Johannisbeersamenöl (15-20 %), Nachtkerzenöl (circa 10 %) und Hanfsamenöl (circa 3 %), zugeführt als auch im menschlichen Organismus aus der essentiellen (lebensnotwendigen) n-6-FS Linolsäure (C18:2) synthetisiert (gebildet) werden [2, 13, 16, 17, 24, 42, 44].
Linolsäure ist der Präkursor (Vorläufer) für die endogene (körpereigene) Synthese von GLA und gelangt ausschließlich über die Nahrung durch natürliche Fette und Öle, wie Distel-, Sonnenblumen-, Maiskeim-, Sojabohnen-, Sesam- und Hanföl sowie Pekannüsse, Paranüsse und Pinienkerne, in den Körper [16, 47]. Die Umwandlung von Linolsäure zu GLA erfolgt im gesunden menschlichen Organismus durch Desaturierung (Einfügung einer Doppelbindung, wodurch aus einer gesättigten eine ungesättigte Verbindung wird) im glatten endoplasmatischen Retikulum (reich verzweigtes Kanalsystem flächiger Hohlräume, das von Membranen umschlossen ist) von Leukozyten (weißen Blutkörperchen) und Leberzellen mit Hilfe der Delta-6-Desaturase (Enzym, das an der sechsten C-C-Bindung – vom Carboxyl (COOH)-Ende der Fettsäurekette aus gesehen – durch Übertragung von Elektronen eine Doppelbindung einfügt) [2, 14, 16, 40, 44]. GLA dient wiederum als Ausgangssubstanz für die endogene Synthese der Dihomo-Gamma-Linolensäure (C20:3; n-6-FS), aus der die Arachidonsäure (C20:4; n-6-FS) hervorgeht [14, 16, 44].
Die Delta-6-Desaturase ist neben der Metabolisierung (Verstoffwechselung) der Linolsäure (C18:2; n-6-FS) auch für die Umwandlung der Alpha-Linolensäure (C18:3; n-3-FS) zu anderen physiologisch bedeutsamen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wie Eicosapentaensäure (C20:5; n-3-FS) und Docosahexaensäure (C22:6; n-3-FS), sowie für die Umwandlung der Ölsäure (C18:1; n-9-FS) verantwortlich. Somit konkurrieren Linolsäure,und Alpha-Linolensäure als Substrate um das gleiche Enzymsystem. Je höher das Angebot an Linolsäure, desto höher ist die Affinität (Bindungsstärke) zur Delta-6-Desaturase und umso mehr GLA kann synthetisiert werden [14, 16, 25]. Übersteigt jedoch die Zufuhr von Linolsäure deutlich die der Alpha-Linolensäure, kann das zu einer gesteigerten endogenen Synthese der proinflammatorischen (entzündungsfördernden) n-6-FS Arachidonsäure und zu einer verminderten körpereigenen Synthese der antiinflammatorisch (entzündungshemmend) wirksamen n-3-FS Eicosapentaensäure führen [8, 14, 24, 39]. Dies verdeutlicht die Relevanz eines mengenmäßig ausgewogenen Verhältnisses von Linolsäure zu Alpha-Linolensäure in der Nahrung [24, 39]. Nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollte das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren der Nahrung im Sinne einer präventiv wirksamen Zusammensetzung 5:1 betragen [14, 16, 24, 29, 42, 44].
GLA kann in der Nahrung sowohl in freier Form als auch gebunden in Triglyceriden (TG, dreifache Ester des dreiwertigen Alkohols Glycerin mit drei Fettsäuren) und Phospholipiden (PL, phosphorhaltige, amphiphile Lipide als wesentliche Bestandteile von Zellmembranen) vorliegen, die im Gastrointestinaltrakt (Mund, Magen, Dünndarm) einem mechanischen und enzymatischen Abbau unterliegen. Die aus der TG- und PL-Spaltung hervorgehenden Monoglyceride (MG, mit einer Fettsäure, wie GLA, verestertes Glycerin), Lyso-Phospholipide (mit einer Phosphorsäure verestertes Glycerin) und freien Fettsäuren, darunter GLA, vereinen sich im Dünndarmlumen gemeinsam mit anderen hydrolysierten Lipiden, wie Cholesterol, und Gallensäuren zu gemischten Micellen (kugelförmige Gebilde mit 3-10 nm Durchmesser, in denen die Lipidmoleküle so angeordnet sind, dass die wasserlöslichen Molekülanteile nach außen und die wasserunslöslichen Molekülanteile nach innen gekehrt sind), die die Aufnahme lipophiler (fettlöslicher) Substanzen in die Enterozyten (Zellen des Dünndarmepithels) des Duodenums (Zwölffingerdarm) und Jejunums (Leerdarm) ermöglichen [2, 14, 16, 24, 29].
Die Fettabsorption beträgt unter physiologischen Bedingungen zwischen 85-95 %.
In den Enterozyten wird GLA an FABPc (Fettsäure-bindendes Protein im Cytosol) gebunden. Die anschließende Aktivierung von proteingebundener GLA ermöglicht die Resynthese von Triglyceriden und Phospholipiden im glatten endoplasmatischen Retikulum (reich verzweigtes Kanalsystem flächiger Hohlräume, das von Membranen umschlossen ist) einerseits und – durch Entfernung der Fettsäuren aus dem Diffusionsgleichgewicht – die Aufnahme weiterer Fettsäuren in die Enterozyten andererseits [2, 14, 16, 24]. Es folgt die Inkorporation der GLA-enthaltenden TG beziehungsweise PL in Chylomikronen (CM, Lipoproteine), die für den Transport der im Darm aufgenommenen Nahrungsfette zu peripheren Geweben und zur Leber zuständig sind [2, 16, 24].
Die lipidreichen Chylomikronen (zu 80-90 % aus Triglyceriden bestehend) werden durch Exocytose (Stofftransport aus der Zelle) in die Zwischenräume der Enterozyten sezerniert und über die Lymphe abtransportiert. Über das Lymphsystem gelangen die Chylomikronen in die Venen des Blutkreislaufs. Während des Transports zur Leber wird ein Großteil der Triglyceride aus den Chylomikronen in Glycerin und freie Fettsäuren, darunter GLA, gespalten, die von peripheren Geweben, wie Muskulatur und Fettgewebe aufgenommen werden [2, 14, 16, 24]. Durch diesen Vorgang werden die Chylomikronen zu Chylomikronen-Remnants (CM-R, fettarme Chylomikronen-Restpartikel) abgebaut, die an spezifische Rezeptoren der Leber binden. Nach Bindung der freigesetzten GLA an FABPc kommt es zur Reveresterung von Triglyceriden und Phospholipiden. Die resynthetisierten Lipide können in der Leber weiter metabolisiert (verstoffwechselt) und/oder in VLDL (very low density lipoproteins; fetthaltige Lipoproteine sehr geringer Dichte) eingelagert werden, um durch diese über den Blutkreislauf zu extrahepatischen ("außerhalb der Leber") Geweben zu gelangen [14, 16, 24]. Indem im Blut zirkulierendes VLDL an periphere Zellen bindet, werden die Triglyceride gespalten und die dabei freiwerdenden Fettsäuren, darunter GLA, internalisiert (nach innen aufgenommen). Daraus resultiert der Katabolismus (Abbau) von VLDL zu IDL (intermediate density lipoproteins). IDL-Partikel können entweder von der Leber rezeptorvermittelt aufgenommen und dort abgebaut oder im Blutplasma durch eine Triglyceridlipase zum cholesterinreichen LDL (low density lipoproteins; cholesterinreiche Lipoproteine geringer Dichte) metabolisiert werden, welches periphere Gewebe mit Cholesterin versorgt [1, 14, 16, 24].
In den Zellen der Zielgewebe, wie Blut, Leber, Gehirn, Herz und Haut, kann GLA – je nach Funktion und Bedarf der Zelle – in die Phospholipide der Zellmembranen sowie der Membranen von Zellorganellen, wie Mitochondrien ("Energiekraftwerke" der Zellen) und Lysosomen (Zellorganellen mit saurem pH-Wert und Verdauungsenzymen), eingebaut, als Ausgangssubstanz zur Synthese von Dihomo-Gamma-Linolensäure und somit von antiinflammatorischen (entzündungshemmenden) Eicosanoiden (hormonähnliche Substanzen, die als Immunmodulatoren und Neurotransmitter wirken), wie Prostaglandin E1 (PGE1), verwendet, in Form von Triglyceriden gespeichert und/oder zur Gewinnung von Energie oxidiert werden [2, 10, 16, 26, 29, 42, 44, 46].
Der Katabolismus (Abbau) von Fettsäuren findet in allen Körperzellen, vor allem in Leber- und Muskelzellen, statt und ist in den Mitochondrien ("Energiekraftwerke" der Zellen) lokalisiert. Ausgenommen sind Erythrozyten (rote Blutkörperchen), die keine Mitochondrien besitzen, sowie Nervenzellen, denen die fettsäureabbauenden Enzyme fehlen. Der Reaktionsablauf des Fettsäurekatabolismus wird auch als ß-Oxidation bezeichnet. In der ß-Oxidation werden die zuvor aktivierten Fettsäuren (Acyl-CoA) in einem Zyklus, der wiederholt durchlaufen wird, oxidativ zu mehreren Acetyl-CoA (aus 2 C-Atomen bestehende, aktivierte Essigsäure) abgebaut. Dabei wird Acyl-CoA pro "Durchlauf" um 2 C-Atome – entsprechend einem Acetyl-CoA – gekürzt [24, 25].
In der Mitochondrienmatrix wird GLA-CoA in die ß-Oxidation eingeschleust, deren Zyklus – wie folgt – zweimal durchlaufen wird [14, 25]
Das Resultat ist eine um 4 C-Atome verkürzte GLA, die vor Eintritt in den nächsten Reaktionskreislauf an ihrer cis-Doppelbindung enzymatisch trans-konfiguriert werden muss. Nach erneutem Durchlauf eines ß-Oxidationszyklus und Verkürzung der Fettsäurekette um einen weiteren C2-Körper erfolgt die trans-Konfiguration der nächsten cis-Doppelbindung der GLA, die auf einem ungeradzahligen C-Atom lokalisiert ist [14, 25].
Die aus dem GLA-Katabolismus hervorgehenden Acetyl-CoA werden in den Citratzyklus eingebracht, die gemeinsam mit den reduzierten Coenzymen aus der ß-Oxidation in der Atmungskette zur Synthese von ATP (Adenosintriphosphat, universelle Form unmittelbar verfügbarer Energie) genutzt werden [14, 16, 25].
Unter physiologischen Bedingungen sollte die Fettausscheidung mit dem Stuhl bei einer Fettzufuhr von 100 g/Tag aufgrund der hohen Absorptionsrate (85-95 %) nicht mehr als 7 % betragen [14].
Fettsäurestoffwechsel – Omega-6-Typ (Graphik)
Literatur